Frau Dwek, Sie haben einen sehr anspruchsvollen Job. Wie sieht eine klassische Arbeitswoche von Ihnen aus?
Ich habe nicht wirklich eine typische Woche - das ist das Schöne an dieser Rolle, es ist immer etwas los an den Märkten! Ich verbringe viel Zeit damit, die Nachrichten zu verfolgen und Recherchen zu lesen, versuche, meine Ansichten zu hinterfragen, verschiedene Perspektiven zu sehen und Anlageideen zu entwickeln. Und dann verbringe ich viel Zeit damit, Charts und andere Materialien zusammenzustellen, um unsere Ansichten zu unterstützen und zu kommunizieren. Ich schreibe eine Reihe von Research-Publikationen, die ich mit unseren Kunden teile. Ich reise oft nach Paris und London, um mein Team und die Multi-Asset-Portfoliomanager innerhalb der Natixis Investment Managers Solutions-Gruppe zu sehen, mit der wir eng zusammenarbeiten.
Wie gross ist Ihr Team, und wo ist es domiziliert? Und für wie viel Kapital erarbeiten Sie die Strategien?
Wir sind ein Team von drei Strategen, und der Rest meines Teams ist in London stationiert. Es gibt auch Strategen in unserem US-Hauptquartier in Boston, mit denen wir regelmässig sprechen. Wir arbeiten innerhalb der Natixis Investment Managers Solutions-Gruppe, die etwa 65 Mrd. Euro an kombinierten Beratungs- und Vermögensverwaltungsmandaten verwaltet, hauptsächlich in Multi-Asset-Portfolios.
Der Nachrichtenfluss ist mit dem Internet extrem schnell geworden. Wie kann man da mittel- und längerfristige Prognosen festlegen?
Wir haben die Art und Weise, wie wir die langfristig erwarteten Renditen ermitteln, nicht wirklich geändert. Was sich geändert hat, ist das Tagesgeschäft. Ich denke, wichtig ist, wie wir als Investoren auf den ständigen Nachrichtenfluss reagieren. Wir glauben, dass die Formulierung eines Basisfalls und der Versuch, den Lärm zu durchschauen, anstatt auf jede einzelne Schlagzeile zu reagieren, die beste Art und Weise ist, Portfolios im aktuellen Umfeld aufzubauen. Natürlich müssen wir flexibel bleiben, falls sich die Umstände der Basisannahme dramatisch ändern, aber der Versuch, die Märkte zu sehr zu timen, funktioniert nicht. Und als Ausgangspunkt bleiben klare Risiko- und Renditeziele auf lange Sicht der Schlüssel.
Können Sie verraten: Wie sehen in wenigen Worten Ihre Modell-Portfolios für 2020 aus?
Wir bleiben mit einer Übergewichtung in Aktien und einer Untergewichtung in Anleihen investiert. Wir haben eine Übergewichtung in europäischen Anlagen, die dank dem «Waffenstillstand» in den Handelsstreitikeiten zwischen den USA und China weiterhin von einem sich verbessernden globalen Umfeld profitieren dürften. Dies wird jedoch möglicherweise nicht das ganze Jahr 2020 andauern, und wir erwarten mittelfristig eine überdurchschnittliche Qualitäts- und Wachstumsentwicklung, da die Wachstumssorgen wahrscheinlich nicht vollständig verschwinden werden. Wir bevorzugen Kredite gegenüber Staatsschulden und haben derzeit Allokationen in High Yield und Hartwährungsschulden der Schwellenländer.
Das bedeutet: Ihr Haus ist positiv für die Aktienmärkte gestimmt…
Ja, wir glauben, dass ein sich verbesserndes globales Umfeld und eine verringerte Unsicherheit in Bezug auf den Handel und Brexit weiterhin Risikoanlagen unterstützen sollten. Die jüngsten Spannungen im Nahen Osten machen deutlich, dass die Volatilität anhalten wird, aber im Moment ändern sie nichts an unserem mittelfristigen konstruktiven Ausblick. Die Gewinnerwartungen für 2020 sind gesunken, was für eine Aufwärtsüberraschung sorgen könnte, wenn sich das Wachstum wie erwartet erholt. Die Bewertungen sind nicht billig, aber sie sind auch nicht überzogen. Sie könnten aber letztlich als Obergrenze für die Performance dienen. Bei den Aktien sind noch keine signifikanten Zuflüsse zu verzeichnen, was darauf hindeutet, dass viele Anleger die Rally von 2019 (zu einem grossen Teil) verpasst haben. Daher sind wir der Ansicht, dass dies Ausgangslage unterstützend sein sollte.
13.01.2020
Natixis Investment Managers